Finanzbuchhaltung

Von der Pflicht zu New Finance: Die Zukunft von Finanzteams

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Linnar Schwarz

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31.01.25

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(Lesedauer: 10 min)

In Deutschland kommt kein Unternehmen um die Buchhaltung herum – sie ist gesetzlich vorgeschrieben. Für viele Firmen ist sie anfangs nur ein notwendiges Übel, das vor allem dazu dient, rechtliche Vorgaben zu erfüllen. Was also tun?

Zu Beginn setzen viele Unternehmen auf externe Steuerberater:innen. Sie bieten eine schnelle, unkomplizierte Lösung, besonders wenn intern das Know-how oder die Kapazitäten fehlen. Zudem übernehmen sie rechtliche Verantwortung und reduzieren den Aufwand für administrative Aufgaben. Doch diese Zusammenarbeit bringt auch Herausforderungen mit sich: Die Kommunikation ist oft mühsam und zeitaufwendig, Zahlen stehen nicht immer pünktlich zur Verfügung, und eine strategische Beratung bleibt meist aus.

Für viele Unternehmen reicht das auf Dauer nicht. Die Antwort liegt daher auf der Hand: Eine interne Finanzabteilung muss her. Und dafür gibt es auch gute Gründe:

  • Kürzere Entscheidungswege: Buchhaltungsdaten sind sofort verfügbar, ohne externe Abstimmungsschleifen. So können Risiken und Tendenzen schneller erkannt und unternehmerische Entscheidungen schneller getroffen werden.

  • Detailkenntnis: Interne Teams kennen die spezifischen Prozesse des Unternehmens und können Fehler wie falsche Kontierungen minimieren.

  • Flexibilität: Spontane Anpassungen oder Sonderauswertungen lassen sich schnell und unkompliziert umsetzen.

Doch der Alltag sieht oft anders aus. Nur selten wird das volle Potenzial einer internen Buchhaltung wirklich genutzt. Stattdessen bleibt sie in den meisten Fällen genau das, was sie für viele Unternehmen von Anfang an war: ein Pflichtprogramm.

Buchhaltung als Schalenkompetenz

Die Buchhaltung bleibt somit nur Schalenkompetenz: essenziell, um das Unternehmen am Laufen zu halten, aber ohne direkten Einfluss auf die Wertschöpfung. Dies hat dazu geführt, dass Unternehmen ihre Buchhaltung jahrzehntelang auf das Nötigste reduziert haben. Ohne umfassende Personaltrainings, moderne Softwarelösungen oder effiziente Prozesse ist die Buchhaltung somit nur eine reine Kostenstelle. Die Folge? Massive Investitionsrückstände.

Ohne Investitionen trägt jedoch selbst die effizienteste und präziseste Buchhaltung der Welt nichts zum Erfolg eines Unternehmens bei. Sie ist nur ein Hygienefaktor – notwendig, aber ohne strategische Konsequenzen.

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Die letzte Bastion des Papiers

Das schien grundsätzlich lange gut zu gehen. Immerhin wurde der Investitionsrückstand lange Zeit nicht als Problem wahrgenommen. Warum auch? Schließlich gab es in der Buchhaltung selbst kaum Innovationen – und was nicht existiert, kann auch nicht fehlen. So haben viele Unternehmen schlicht auf Bewährtes gesetzt. Und die interne Buchhaltung? Wurde zur letzten Bastion des Papiers: Während andere Unternehmensbereiche längst auf digitale Workflows und Tools umgestellt haben, wurden interne Finanzteams oftmals dazu gezwungen, an analogen Prozessen festzuhalten.

Doch das hat einen Preis. In einer zunehmend digitalen Welt hinken viele Finanzteams nicht nur dem Fortschritt hinterher – sie stecken in einem Hamsterrad fest aus dem sie nicht mehr so leicht herauskommen. Ihnen fehlt es schlichtweg an Zeit, sich Zeit zur Optimierung zu nehmen. Das liegt unter anderem an den folgenden Gründen:

  • Rechnungsfreigaben hinterherjagen: Fehlen klare Prozesse, kostet es viel Zeit, Genehmigungen einzuholen und Verantwortlichkeiten zu klären.

  • Unübersichtlichkeit: Rechnungen werden in Ordnern, Mails oder lokalen Netzwerken gesucht – ein zeitaufwändiger und fehleranfälliger Prozess.

  • Manuelle Pflege von Excel-Tabellen: Buchhalter:innen verbringen Stunden mit selbstgebauten Formeln und Tabellen, die bei Fehlern ganze Abrechnungen durcheinanderbringen können.

Fachkräftemangel: In einer Branche, die von komplexem Wissen lebt, verschärft der Mangel an qualifiziertem Personal den Druck auf bestehende Teams.

Ein Cartoon-Aktenvernichter zerstört ein Dokument, weil das Büro in Zukunft papierlos und digital ist.

Diese Herausforderungen werden durch den chronischen Stress verstärkt, der in Finanzteams herrscht. Monatliche Fristen, fehleranfällige manuelle Prozesse und der ständige Druck, alles korrekt zu erledigen, machen die Arbeit zu einem immensen Kraftakt. Wenn aber Investitionen ausbleiben und die Aufmerksamkeit fehlt, tragen Finanzteams diese Last meist ganz allein. Häufig bleibt nur ein Rückzug in Routinen: Das Nötigste wird erledigt, alles andere ausgeblendet. Und das bleiben nicht die einzigen Herausforderungen.

Quantenstoß statt Quantensprung

Neue Innovationswellen verändern die Landschaft der Buchhaltung so grundlegend, dass selbst die Entwicklungen der letzten drei Jahre im Vergleich dazu harmlos erscheinen. Besonders eine dieser Wellen scheint deutsche Unternehmen in die Bredouille zu bringen: die E-Rechnung.

Mit der E-Rechnungspflicht steht 2025 eine Zäsur bevor. Ab dann beginnt in Deutschland nämlich der verpflichtende Umstieg auf E-Rechnungen – zunächst mit der Pflicht, diese empfangen und verarbeiten zu können. Während papierbasierte Prozesse und manuelles Abtippen bislang als ausreichend galten, erzwingt die neue Regelung radikale Veränderungen. Daten werden künftig standardisiert und automatisiert erfasst, was nicht nur Zeit spart, sondern auch die Fehlerquote drastisch senkt. Für interne Buchhalter:innen bedeutet das vor allem eins: Sie stehen vor der Aufgabe, bestehende Prozesse komplett umzustellen, frühzeitig Lieferanten einzubinden und sicherzustellen, dass alles nahtlos funktioniert.

Während einige wenige also noch darüber nachdenken, ihre E-Rechnungen künftig einfach auszudrucken und – wie gewohnt – in ihren Ordnern abzuheften, wissen die meisten Unternehmen, dass sie bald keine andere Wahl mehr haben. Entweder sie schaffen den Wandel proaktiv und gestalten ihn somit mit. Oder sie werden zur Veränderung gezwungen. Für viele ist die E-Rechnungspflicht daher weniger ein Quantensprung als vielmehr ein Quantenstoß. Und es ist noch lange nicht der einzige.

E-Rechnungspflicht 2025

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Künstliche Intelligenz als Innovationstreiber

Das Problem der Belegerfassung? Gelöst! Und das nicht mithilfe der optischen Zeichenerkennung. Während viele Buchhalter:innen OCR-Tools bereits für den goldenen Standard halten, eröffnet KI eine völlig neue Dimension. So erkennt künstliche Intelligenz zum Beispiel automatisch Zusammenhänge, überprüft die Vollständigkeit und Korrektheit der Daten und lernt auch mit jedem Prozess dazu – in nur wenigen Sekunden. Prozesse, die früher Tage gedauert haben, sind jetzt in wenigen Augenblicken abgeschlossen. Dazu gehören auch die automatische Vorkontierung, das Erkennen von Anomalien oder die Erstellung präziser Forecasts. Für Finanzteams bedeutet das: Weniger Zeitdruck bei Routinetätigkeiten, aber gleichzeitig höhere Anforderungen an strategisches Denken und die Fähigkeit, KI sinnvoll zu nutzen.

Das ist keine Zukunftsmusik. Die Technologie existiert bereits. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis sie flächendeckend und in allen Unternehmen gleichermaßen zugänglich ist. KI wird somit zum Erdbeben, das eine Innovationswelle nach der anderen vor sich hertreibt. Und diese erfassen nach und nach verschiedene Arbeits- und Unternehmensbereiche. Das Potenzial ist enorm – und ebenso der Innovationsdruck. Denn wer den Anschluss an diese Entwicklungen verpasst, läuft Gefahr, nicht nur ineffizienter zu arbeiten, sondern auch als Team an Bedeutung zu verlieren. Und das gilt ganz besonders für interne Buchhalter:innen.

KI in der Buchhaltung

So nutzen Finanzteams Künstliche Intelligenz

Illustration eines Roboters mit Fragezeichen

Der Innovationsdruck von außen

Interessanterweise kommt dieser Druck auf Veränderung nicht aus dem Unternehmen selbst. Trotz der offensichtlichen Vorteile hat die interne Buchhaltung oft keinen Anstoß zur Innovation gegeben. Zu groß war der Rückstand, zu wenig lag der Fokus auf Investitionen.

Jetzt aber kommt der Innovationsdruck von außen. Und zwar in Form eines starken Konkurrenten – der externen Steuerberatung. Diese bietet nämlich zum Teil schon viele der Vorteile, von denen interne Teams nur träumen können:

  • Vorsprung durch technologischen Fortschritt: E-Rechnungen, KI-gestützte Tools und automatisierte Buchungssysteme übernehmen Aufgaben, die früher Stunden oder Tage in Anspruch genommen haben. Und das wissen auch externe Buchhalter:innen. Sie sind oft die ersten, die diese neuen Technologien adoptieren und einsetzen.

  • Ein Markt ohne geografische Grenzen: Steuerberater:innen oder externe Buchhalter:innen können deutschlandweit agieren und sich auf bestimmte Branchen wie eCommerce oder Start-ups spezialisieren. Für Unternehmen bedeutet das Zugang zu Expertise, die exakt auf ihre Bedürfnisse zugeschnitten ist.

  • Effizientere Kommunikation: Moderne Softwarelösungen ermöglichen eine nahtlose Zusammenarbeit. Daten werden automatisch übermittelt, und Abstimmungen laufen in Echtzeit. Lange E-Mail-Ketten oder Missverständnisse aufgrund fehlender Informationen gehören der Vergangenheit an.

Zahlen in Echtzeit: Dank kontinuierlicher Buchungssysteme stehen aktuelle Daten jederzeit zur Verfügung. Unternehmen müssen nicht mehr auf Monatsabschlüsse warten, um Entscheidungen zu treffen – die wichtigsten Kennzahlen sind immer griffbereit.

Die interne Buchhaltung am Scheideweg

Diese Konkurrenz von außen stellt interne Finanzteams vor eine entscheidende Frage: Bleiben sie reaktiv, oder nutzen sie die Chance, sich neu zu positionieren? Für viele Teams könnte die vermeintlich einfache Lösung darin bestehen, sich auf das Nötigste zu reduzieren – Aufgaben zu kontrollieren, Routineprozesse zu überwachen und ansonsten auf Automatisierungen zu setzen. Doch genau hier liegt das Risiko: Finance als Help Desk.

Dieser Ansatz, der auf Minimalismus und Effizienz setzt, mag auf den ersten Blick verlockend wirken. Doch in Wahrheit ist er eine Sackgasse. Denn wenn Finanzteams nur noch administrative Aufgaben übernehmen, geraten sie in einen noch direkteren Wettbewerb mit den externen Steuerberatungen – und dieser Wettbewerb ist kaum zu gewinnen. Externe Anbieter können die gleichen Services oft günstiger, schneller und mit mehr Spezialisierung liefern. Die Konsequenzen? Die Finanzabteilung verliert nicht nur an Einfluss im Unternehmen, sondern auch an Daseinsberechtigung. Als bloße Schalenkompetenz wird sie austauschbar – eine Abteilung, deren Bedeutung sukzessive schwindet, bis sie vollständig abgeschafft wird. Das heißt: Die interne Buchhaltung sourced sich faktisch selbst aus.

Doch es gibt eine Alternative.

Der Weg aus dem Hamsterrad

Die Alternative zur schleichenden Bedeutungslosigkeit liegt in einem klaren Kurswechsel. Finanzteams müssen sich von der Rolle als reaktive Verwaltungsinstanz lösen und den Mut aufbringen, sich neu zu definieren. Doch das ist leichter gesagt als getan. Der Alltag in der Buchhaltung ist oftmals geprägt vom Kleinklein repetitiver Aufgaben und engen Fristen. Zeit für eine strategische Neuausrichtung? Fehlanzeige. Die Routine bestimmt den Rhythmus, und der Gedanke an Veränderung wirkt entmutigend – zu groß scheinen die Herausforderungen, zu klein die verfügbaren Ressourcen.

Doch genau hier setzt der entscheidende Perspektivwechsel an: Es geht nicht darum, alles auf einmal – praktisch über Nacht – zu ändern. Sondern darum, gezielt Raum für Verbesserungen zu schaffen. Schritt für Schritt. Um dies zu erreichen, sind konsequente Maßnahmen erforderlich:

New Finance in der Buchhaltung: Grafik mit 3 Schritten

1. Von Papier zu E-Rechnung: Digitale Belegerfassung als Basis

Papierbasierte Prozesse haben ausgedient. Die E-Rechnung ist kein „Kann“, sondern ein „Muss“.

Die Umstellung bietet auch klare Vorteile: weniger manuelle Arbeit, geringere Fehlerquoten und schnellere Abwicklungszeiten. Doch die Herausforderung liegt im Übergang. Unternehmen müssen frühzeitig ihre Lieferketten analysieren, Lieferanten einbinden und bestehende Prozesse anpassen, um reibungslos in den neuen Standard zu wechseln. Wer dies nicht tut, riskiert, den Anschluss an effizientere Wettbewerber zu verlieren.

2. Die Software voll nutzen – Potenziale ausschöpfen

Eine leistungsfähige Software ist das Rückgrat moderner Buchhaltungsprozesse – doch viele Unternehmen schöpfen ihre Möglichkeiten nicht aus. Systeme wie DATEV oder SAP bieten zahlreiche Automatisierungsfunktionen, doch in der Praxis werden diese häufig nur bruchstückhaft genutzt. Der Grund? Fehlendes Wissen, Zeitmangel und fehlende Schulungen.

Um das volle Potenzial von Software zu nutzen, empfiehlt sich:

  • Passende Vorsysteme auswählen: Es beginnt mit der richtigen Basis. Eine Rechnungsmanagement-Software wie Candis sorgt dafür, dass Daten sauber und strukturiert in die Buchhaltung übergeben werden können.

  • Nahtlose Integration sicherstellen: Rechnungsmanagement-Software und Buchhaltungstools müssen reibungslos miteinander kommunizieren. Zertifizierte Schnittstellen ermöglichen eine automatische Datenübertragung, reduzieren Fehlerquellen und sparen Zeit.

  • Schulung und Weiterbildung priorisieren: Die beste Software nützt nichts, wenn sie nicht effektiv genutzt wird. Teams sollten regelmäßig geschult werden, um neue Funktionen kennenzulernen und Prozesse kontinuierlich zu verbessern.

3. Auch Abrechnungsprozesse konsequent automatisieren

Kreditkartenabrechnungen, Reisekostenmanagement und ähnliche Prozesse binden unnötig Ressourcen. Spezialisierte Tools, die diese Aufgaben vollständig automatisieren, sind nicht nur kosteneffizient, sondern auch ein Schlüsselfaktor, um die Abteilung auf strategisch relevante Tätigkeiten zu konzentrieren.

New Finance ist die Lösung, keine Bedrohung

Die Buchhaltung steht vor einer grundlegenden Neuausrichtung. Jahrelang war sie geprägt von Routinen, Zeitdruck und einer oft isolierten Rolle innerhalb des Unternehmens. Doch die Innovationswellen und der damit verbundene Druck von außen eröffnen neue Perspektiven: Die Zeit, die durch automatisierte Prozesse freigesetzt wird, darf nicht in veralteten Routinen versickern. Stattdessen müssen Finanzteams ihre Rolle neu definieren und enger mit Führungskräften sowie Fachabteilungen zusammenarbeiten. Durch fundierte Forecasts, präzise Berichte und tiefgehende Analysen können sie einen direkten Beitrag zu Investitions- und Wachstumsentscheidungen leisten. Echtzeitdaten ermöglichen zusätzlich eine sofortige Reaktion auf Veränderungen, reduzieren Entscheidungsrisiken und schaffen die Grundlage für gezielte strategische Maßnahmen.

New Finance ist der Schlüssel zu dieser Neuausrichtung. Es geht nicht mehr darum, bloß Zahlen zu verwalten – eine zeitgemäße Buchhaltung wird zum unverzichtbaren Motor für fundierte Entscheidungen und zu einem zentralen Bestandteil der Wertschöpfungskette. Teams, die den Wandel zu New Finance aktiv gestalten, nutzen die Möglichkeiten der Automatisierung voll aus und schaffen effizientere Abläufe, präzisere Analysen und eine stärkere Integration in alle Unternehmensprozesse. Der Wandel birgt enormes Potenzial, erfordert aber auch Mut und konsequentes Handeln. Halbherzige Anpassungen oder das Festhalten an alten Strukturen sind keine Option.

Für Unternehmen gibt es daher nur zwei Wege: Entweder sie nutzen die Chancen der New Finance und machen ihre Finanzteams zukunftsfähig – oder sie lagern ihre Buchhaltung schlichtweg wieder aus.

Das Fazit ist klar: Wer nicht mitgeht, wird zurückgelassen – und outgesourct.